Bezirkstag von Oberbayern fordert in Resolution u.a. Behandlungs- und Betreuungskonzepte zum Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen

Der oberbayerische Bezirkstag hat mit der Verabschiedung einer Resolution auf den ständig anwachsenden Zustrom von Flüchtlingen reagiert. Die Vertreter des Kommunalparlaments verlangen unter anderem Konzepte, um fachlich qualifiziert auf die medizinischen Bedürfnisse von traumatisierten Flüchtlingen eingehen zu können.  Zudem fordern sie den Freistaat auf, die Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu übernehmen. Dafür entstehen für die sieben bayerischen Bezirken pro Jahr Kosten in Höhe von bis zu 50 Millionen Euro. An den Bayerischen Bezirkstag erging deshalb der Auftrag, auf politischer Ebene „über einzelne Bezirke hinausehende, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten“.

Der Bezirkstag nahm die von der SPD-Fraktion eingebrachte Resolution mehrheitlich mit 44 Ja-Stimmen an.

Die Resolution im Wortlaut:

Für eine menschenwürdige und nachhaltige Flüchtlingspolitik

Mit großer Sorge verfolgen wir die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Oberbayern. Wir sehen uns hier in besonderer Verantwortung: einmal durch die Zuständigkeit des Bezirks Oberbayern als überörtlicher Jugendhilfe-Träger, der finanzielle Hilfen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leistet; zweitens durch unsere Zuständigkeit für die psychiatrische Versorgung der oberbayerischen Bevölkerung; drittens aufgrund der zu erwartenden, mittelfristigen Auswirkungen auf den Bereich der Wohnungslosenhilfe.

Hinzu kommt die zunehmende Zahl von unbegleiteten Jugendlichen, die psychologischer Betreuung oder Behandlung bedürfen. Auch der deutliche Anstieg von Suizidversuchen in bayerischen Flüchtlingsunterkünften macht uns betroffen (laut Sozialministerium in einem Jahr auf mehr als das Doppelte; siehe Berichte in der SZ vom 19.11.14: „Traumatisiert von Krieg und Gewalt“ und „Mehr Hilfe für Traumatisierte“).

Angesichts dieser Fakten ist es unbedingt erforderlich, neue Behandlungsansätze und Maßnahmen zu erarbeiten – für einen humanen, angemessenen Umgang mit Menschen, die aus Krisen- bzw. Kriegsgebieten kommen und oft durch schreckliche Erlebnisse traumatisiert sind.

Der Bezirkstag von Oberbayern möge daher beschließen:

1.
Die zuständigen Gremien des Bezirks, insbesondere im Bereich der Gesundheits- und Sozialplanung, werden sich in nächster Zeit eingehend mit dem Thema Flüchtlinge befassen und mit den zuständigen Stellen in der Bezirksverwaltung und der Kliniken des Bezirks Oberbayern Kommunalunternehmen entsprechende Behandlungs- und Betreuungs-konzepte erarbeiten. Hierbei sollen besonders folgende Aspekte berücksichtigt werden:

1.a. Da für die politische Situation in Syrien und im Irak noch lange keine Entspannung in Sicht ist, brauchen wir mittel- und langfristige Strukturen für eine entsprechend fachlich
spezialisierte Betreuung, und zwar gerade auch in ländlichen Regionen.

1b. Wir brauchen angemessene Einrichtungen für besonders betreuungsbedürftige Personen, also z. B. für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, kranke und behinderte Flüchtlinge. Eine besondere Herausforderung stellen die oft schwer traumatisierten, unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge dar, von denen immer mehr in die Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen werden. Aufgrund der besonderen Situation dieser Kinder und Jugendlichen müssen für sie spezielle Behandlungsmöglichkeiten erarbeitet werden.

1c. Wir brauchen eine umfassendere Betreuung der Flüchtlinge durch Fachärzte, Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiater, Psychologen und Sozialarbeiter – wenn möglich an sieben Tagen in der Woche. Der Bezirk setzt sich deshalb für einen besseren Betreuungsschlüssel für Asyl- und Sozialberater und höhere Erstattungen an die im Flüchtlingsbereich tätigen Wohlfahrtsverbände ein.

1d. Das medizinische Personal soll aufgestockt und im interkulturellen Bereich entsprechend geschult werden, damit die gesetzlich vorgeschriebenen, medizinischen Erstuntersuchungen schneller durchgeführt  und schwere posttraumatische Belastungsstörungen oder Suizidalität rechtzeitig erkannt werden.

1e. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, werden sowohl in den Flüchtlingseinrichtungen wie auch im Bereich der psychiatrischen Versorgung dringend mehr Dolmetscher benötigt.

1f.  Flüchtlings-Einrichtungen brauchen klar benannte und erreichbare Ansprechpartner, an die sie sich bei Behandlungs- oder Betreuungsfällen wenden können. Zuständigkeiten müssen offen kommuniziert werden. Dem zuständigen Personal sind interkulturelle Schulungen anzubieten.

2.
Weiteren Handlungsbedarf sehen wir bei der Finanzierung. Für uns steht fest: Die Kommunen müssen finanziell entlastet werden. Der Bund muss sich stärker an den Kosten beteiligen, der Freistaat die Zahlungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge übernehmen. Wir unterstützen die entsprechenden Forderungen des Bayerischen Bezirketags.

3.
Dieser Antrag wird auch an den Bayerischen Bezirketag weitergeleitet, da es sich hierbei nicht nur um eine oberbayerische Problematik handelt und es sinnvoll ist, über einzelne Bezirke hinausgehende, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Weitere Adressaten sind: das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration; die Regierung von Oberbayern; die Landtags-Abgeordneten aus Oberbayern.

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